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3. Mai 2023 – Tax
Steuerschuldnerschaft des Organträgers für Umsätze weiterhin unionsrechtskonform

Der Bundesfinanzhof hat mit zwei die Organschaft betreffenden Entscheidungen zum einen seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung geändert und zum anderen ein neues Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet (Az. XI R 29/22 und V R 20/22).

Mit dem Urteil XI R 29/22 sieht der Bundesfinanzhof die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsätze der Organschaft entgegen früheren Zweifeln weiterhin als unionsrechtskonform an. Die vom EuGH hierfür genannten Bedingungen (Willensdurchsetzung und keine Gefahr von Steuerausfällen) würden gewährleistet, da der Bundesfinanzhof schon bisher die Möglichkeit der Willensdurchsetzung verlangt und die Organgesellschaft nach § 73 AO für die Umsatzsteuer des Organträgers hafte. Im Hinblick auf das Kriterium der Willensdurchsetzung ändert der Bundesfinanzhof allerdings seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung. Für das Bestehen einer Organschaft sei zwar weiter im Grundsatz erforderlich, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zustehe. Die finanzielle Eingliederung liege nunmehr aber auch dann vor, wenn der Gesellschafter zwar über nur 50 % der Stimmrechte verfüge, die erforderliche Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft aber dadurch gesichert sei, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft halte und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stelle.

Mit dem Beschluss V R 20/22 soll geklärt werden, ob an der bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit sog. Innenumsätze weiter festzuhalten ist. Es handelt sich um das bereits zweite Vorabentscheidungsersuchen in dieser Sache, bei dem es nunmehr um eine Frage geht, die aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren zweifelhaft geworden ist. Nach dem Umsatzsteuergesetz unterliegen Umsätze zwischen den Mitgliedern einer Organschaft nicht der Umsatzsteuer, weil die Organgesellschaft als “unselbstständiger” Teil im Gesamtunternehmen des übergeordneten Organträgers angesehen wird. Zweifel an dieser Betrachtung ergeben sich daraus, dass der EuGH die Organgesellschaft als selbstständig ansieht und die Organschaft nach seiner Rechtsprechung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Sollte der EuGH entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steuerbar sind, hätte dies weitreichende Folgen. Umsatzsteuerrechtlich dient die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (z. B. Banken und Versicherungen, Unternehmer im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bildungsbereich sowie Vermieter von Wohnungen). Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge lassen sich bislang für derartige Unternehmen dadurch vermeiden, dass sie mit Dienstleistern Organschaften begründen, sodass die bezogenen Leistungen nicht steuerbar sind.