Das Finanzgericht Münster hatte zu entscheiden, ob das Finanzamt mit Steuerforderungen gegen Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche aufrechnen darf, wenn beide Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, aber aus einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen Tätigkeit resultieren (Az. 2 K 2804/21).
Die Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche des Klägers seien erloschen. Die Finanzbehörde habe zu Recht mit gegenüber dem Kläger bestehenden Steueransprüchen gegen die Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche des Klägers aufgerechnet. Es habe auch unter Berücksichtigung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers kein Aufrechnungsverbot bestanden. Ein Aufrechnungsverbot folge nicht aus § 96 InsO. Die Voraussetzungen dieser Norm lägen nicht vor. Nach dieser Norm ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger, im Streitfall die Finanzbehörde, erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall fallen die Umsatzsteuer- Erstattungsansprüche nicht in die Insolvenzmasse. Ein Aufrechnungsverbot folge auch nicht aus § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO. Nach dieser Norm ist die Aufrechnung ausgeschlossen, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, im Streitfall die Umsatzsteuer- Erstattungsansprüche des Klägers, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann. Im Streitfall sind die Steueransprüche der Finanzbehörde gegenüber dem Kläger vor dessen (Haupt-)Forderung fällig geworden.
Ein Aufrechnungsverbot folge ebenfalls nicht aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Unbeschadet der an §§ 80 Abs. 1, 89 Abs. 1 InsO deutlich werdenden strukturellen Unterscheidung zweier Vermögensmassen (Insolvenzmasse und insolvenzfreie Masse bzw. Alt- und Neumasse), die der InsO zugrunde liegt, enthält diese indes kein allgemeines Verbot, Ansprüche der einen gegen Forderungen, die in die andere fallen, zu verrechnen bzw. ein Gebot, die Trennung der vorgenannten Vermögensmassen in jeder Hinsicht strikt durchzuführen und insbesondere Insolvenzgläubigern als Haftungssubstrat ausschließlich die Insolvenzmasse zuzuweisen. Ob Forderungen miteinander während eines Insolvenzverfahrens wirksam verrechnet werden können, sei deshalb nicht schlicht eine Frage der Zuordnung zu den genannten Vermögensmassen, sondern von der Reichweite etwaiger in der InsO geregelter Aufrechnungsverbote abhängig. Zudem sei zu berücksichtigen, dass §§ 95, 96 InsO abschließende Aufrechnungsverbote im Rahmen der InsO darstellen.
Ein Aufrechnungsverbot folge auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Form des Schutzes der Insolvenzmasse. Die im Streitfall vom Kläger bekämpfte Aufrechnungserklärung schmälere die Insolvenzmasse nicht, sondern stärke sie vielmehr mittelbar, weil sie zur Befriedigung anderenfalls aus der Masse zu befriedigender Forderungen der Finanzbehörde führe und die zur Aufrechnung herangezogene Forderung des Schuldners infolge Freigabe ohnehin nicht der Masse zugutegekommen wäre.