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9. Mai 2022 – Tax
Ruhestandsnahe Freistellung: Für nicht ausgezahlte Gehaltsbestandteile keine Zeitwertkontengarantie erteilt – kein Arbeitslohn zu versteuern

Grundsätzlich fließt zu versteuernder Arbeitslohn dadurch zu, dass er bar ausgezahlt oder einem Konto gutgeschrieben wird. Eine Gutschrift in den Büchern des Arbeitgebers kann aber auch einen zu versteuernden Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern auch ausgedrückt wird, dass der Betrag den Berechtigten von nun an zur Verfügung steht. Das Finanzgericht Thüringen entschied, dass kein Arbeitslohn zu versteuern ist, wenn vom Arbeitgeber keine Zeitwertkontengarantie erteilt wurde (Az. 4 K 122/18).

Laut den Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung habe die Klägerin die streitigen Beträge nicht an die betroffenen Arbeitnehmer ausgezahlt, sondern diese einbehalten, um die Beträge auf noch bei einer Bank einzurichtende Zeitwertkonten einzuzahlen. Die entsprechenden Guthaben seien den Arbeitnehmern insbesondere nicht durch eine Gutschrift in den Büchern der Klägerin zugeflossen, denn die betroffenen Arbeitnehmer waren in Folge der Gutschrift nicht in der Lage, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun der im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Klägerin herbeizuführen. Unstreitig sollten die betreffenden Guthaben (aufgrund der zwischen der Klägerin und den betroffenen Arbeitnehmern zumeist mündlich geschlossenen Vereinbarungen) dem Zwecke der ruhestandsnahen Freistellung dienen und entsprechenden (noch einzurichtenden) Zeitwertkonten zugeführt werden, sodass die Arbeitnehmer nicht über die (an sie nicht ausgezahlten) Gehaltsbestandteile verfügen konnten, denn aufgrund der vorgenannten Vereinbarungen wurde die Fälligkeit der Vergütung insoweit abweichend von § 614 BGB hinausgeschoben, sodass die betroffenen Arbeitnehmer keinen fälligen Anspruch auf Auszahlung der entsprechenden Gehaltsbestandteile (Prämien usw.) hatten und demzufolge (noch) keine Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern bestand.

In der Nichtauszahlung der entsprechenden Gehaltsbestandteile an die Arbeitnehmer und den Gutschriften in den Büchern der Klägerin liege auch keine Novation im Zeitpunkt der Gutschriften. Zwar wurden dadurch die betroffenen Ansprüche der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Gutschriften in den Büchern der Klägerin durch eine neue Verpflichtung ersetzt, allerdings war die Klägerin aufgrund der mit den Arbeitnehmern getroffenen Vereinbarungen zum Zeitpunkt der Gutschriften zu keinen Zahlungen aus den angesammelten Beträgen verpflichtet, sodass auch ein Zufluss durch Schuldumschaffung ausgeschlossen ist. Auch eine zum Zufluss führende Lohnverwendungsabrede liegt nicht vor, denn die Klägerin erfüllte mit den Gutschriften in ihren Büchern weder Verbindlichkeiten der Arbeitnehmer gegenüber Dritten noch handelte es sich dabei um ein Rechtsgeschäft, bei dem die Klägerin als Arbeitgeberin und die betroffenen Arbeitnehmer sich wie fremde Dritte gegenüberstanden und zu dessen Erfüllung die Arbeitnehmer ihren Barlohn verwenden. Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und den jeweiligen Arbeitnehmern stellt auch keine Vorausverfügung der Arbeitnehmer über ihren Arbeitslohn dar, die zu einem Zufluss geführt hätte.

Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (BFH-Az. VI R 28/21).