Das Hessische Finanzgericht entschied, dass eine in Deutschland im Jahr 2016 vereinbarte Abfindung, die im Jahr 2017 in Malta ausbezahlt wurde, einkommensteuerpflichtig ist. Der Empfänger der Abfindung könne sich auf die bis 2016 geltende Steuerfreiheit nicht berufen (Az. 10 K 1421/21).
Im Streitfall hatte die Klägerin als Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis mit ihrem Arbeitgeber im Jahr 2016 einvernehmlich beendet und als Ausgleich eine Abfindung vereinbart. Auf Wunsch der Klägerin wurde die Abfindung erst im Folgejahr zur Auszahlung gebracht. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits nach Malta verzogen. Das beklagte Finanzamt setzte die Einkommensteuer für 2017 unter Berücksichtigung des geänderten Wohnsitzes, aber unter Einbeziehung der gezahlten Abfindung fest. Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass eine Besteuerung in Deutschland unzulässig sei, da die Regelung des § 50d Abs. 12 Satz 1 EStG zum Zeitpunkt der Abfindungsvereinbarung und ihres Wegzugs nach Malta weder existiert habe noch absehbar gewesen sei und ihr daher Vertrauensschutz zukomme. Sie habe nicht mit einer Gesetzesverschärfung rechnen müssen, sodass eine Rückwirkung vorliege, die im Steuerrecht unzulässig sei.
Das Hessische Finanzgericht entschied, dass Steuergesetze Rückwirkung entfalten können – eine inländische Besteuerung von Abfindungszahlungen ist seit 2017 auch dann möglich, wenn der Wohnsitz ins EU-Ausland verlagert wurde. Deutschland habe für nachträglich ausgezahlte Abfindungen das Besteuerungsrecht, auch wenn der Wohnsitz des Abfindungsempfängers nicht mehr im Inland ist. Dies gelte selbst dann, wenn die vertragliche Vereinbarung der Abfindung bereits vor Geltung der gesetzlichen Regelung erfolgte. Ein Verstoß gegen EU-Recht oder Verfassungsrecht liege darin nicht.
Hinweis
Bis zum Jahr 2016 konnte eine anlassbezogene Abfindung in Deutschland vollständig steuerfrei sein, wenn der Zahlungsempfänger bei Zufluss seinen Wohnsitz in einem Land hatte, welches nach einem DBA vorrangig das Besteuerungsrecht hatte. Der ab dem 01.01.2017 geltende § 50d Abs. 12 EStG sorgt dafür, dass auch die anlassbezogene Abfindung in Deutschland der Einkommensteuer unterliegt. Dabei fingiert das Gesetz, dass die Abfindung als nachträglicher Arbeitslohn anzusehen ist.