Der Bundesfinanzhof hat zur Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen und bis wann der Widerruf einer Gestattung zur Besteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten wegen Missbrauchs oder Gefährdung des Steueraufkommens gerechtfertigt ist (Az. XI R 5/21).
Falls ein Leistungsempfänger bereits zur Vornahme des Vorsteuerabzugs berechtigt sei, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Besteuerung noch keine Umsatzsteuer entstanden sei, beruhe dies umsatzsteuerrechtlich nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Steuerpflichtigen, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung oder Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland.
Es bleibe offen, ob der Begriff “geschuldet” i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG im Lichte des EuGH-Urteils C-9/20 sowie der Art. 167, Art. 179 Satz 1 MwStSystRL eine zeitliche Komponente enthalte und deshalb dahin gehend zu verstehen sei, dass die Umsatzsteuer vom Leistenden schon geschuldet werden müsse, um vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden zu können. Dann dürfte sie vom Leistungsempfänger noch nicht abgezogen werden, solange sie vom Leistenden noch nicht geschuldet werde.
Im Streitfall habe das Finanzamt den Widerruf darauf gestützt, dass die Vornahme des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger bei gleichzeitig fehlenden Umsätzen beim leistenden Unternehmer bei nahestehenden Personen die Vermutung begründe, dass die dem leistenden Unternehmer erteilte Gestattung missbraucht werde. Dies treffe jedoch nicht zu.