Der Bundesfinanzhof nahm dazu Stellung, ob Beiträge einer in den Niederlanden selbstständig tätigen Steuerpflichtigen zur dortigen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung (einschließlich einer einkommensunabhängigen “Kopfpauschale” zur Krankenversicherung) dem inländischen Sonderausgabenabzugsverbot gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG unterliegen oder ob die infolge der Entscheidung des EuGH (Rs. C 20/16) inzwischen eingefügte Ausnahme von diesem Verbot nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 Buchst. a bis c EStG Anwendung findet (Az. X R 28/21).
Die Sonderregelung zur Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 Buchst. a EStG gelte aufgrund der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) auch für Vorsorgeaufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen aus einer in den Niederlanden ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit stehen.
Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG ist Voraussetzung für den Abzug der in § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG bezeichneten Beträge (Vorsorgeaufwendungen), dass sie nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Durch diese Regelung solle ein ansonsten eintretender doppelter steuerlicher Vorteil vermieden werden. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG seien ungeachtet dessen die genannten Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft erzielten Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit stehen, diese Einnahmen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Inland steuerfrei sind und der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt. Diese Regelungen sind gemäß § 52 Abs. 18 Satz 4 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 auf alle “offenen Fälle” anzuwenden.
Das zur Ermittlung von Amts wegen verpflichtete Finanzgericht müsse auch Fragen nachgehen, über welche die Beteiligten nicht streiten, wenn insoweit Zweifel bestehen. Wenn jedoch die erforderlichen Feststellungen zum maßgeblichen ausländischen Recht fehlen, liege ein materieller Mangel vor. Ob der Abzug der streitigen Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen ist, lasse sich anhand der Feststellungen des Finanzgerichts hier nicht beurteilen. Das führe hier zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.