Aktuelles

9. Februar 2023 – Tax
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio keine außergewöhnlichen Belastungen

Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zur Durchführung eines ärztlich verordneten Funktionstrainings (hier: Wassergymnastik) sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Dies entschied das Niedersächsische Finanzgericht (Az. 9 K 17/21).

 Im Streitfall wurde der behinderten Klägerin (GdB 30) zur Behandlung der zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, zur funktionalen Verbesserung und zur Schmerzreduktion ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Die zuständige Krankenkasse übernahm die Kosten für ein wöchentliches Funktionstraining. Nachdem die Klägerin die Wassergymnastikkurse zunächst in einem Verein durchgeführt hatte, entschied sie sich, die Kurse in einem näher zu ihrem Wohnort gelegenen Fitnessstudio zu absolvieren. Dort wurde das Funktionstraining von qualifizierten Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz für den Rehabilitationssport durchgeführt. Voraussetzung dafür war, dass sich die Klägerin als Mitglied im Fitnessstudio anmelden und den reduzierten Beitrag für das auf die Teilnahme an den verordneten Kursen zugeschnittene Modul „Wellness und Spa” bezahlen musste. Neben der Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining beinhaltete der Mitgliedsbeitrag auch noch die Saunabenutzung und weitere Aqua- Fitnesskurse. Zusätzlich stellte das Fitnessstudio der Klägerin den wöchentlichen Beitrag für den Reha-Verein, der das Funktionstraining durchführte, in Rechnung. In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin die Gesamtkosten (Fitnessstudiobeitrag, Reha-Vereinsbeitrag, Fahrtkosten) als Teil ihrer Heilbehandlungskosten geltend, die das beklagte Finanzamt nicht anerkannte.

Das Niedersächsische Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage zum Teil statt:

  • Es vertritt die Auffassung, dass die Fitnessstudio-Mitgliedsbeiträge für ein für die Teilnahme an dem verordneten Funktionstraining zugeschnittenes Grundmodul (im Streitfall: „Wellness und Spa“) jedenfalls dann keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes darstellen, wenn mit dem Mitgliedsbeitrag auch weitere Leistungen abgegolten werden (hier: Saunanutzung, Aqua-Fitnesskurse), die ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Menschen in Anspruch genommen werden, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten, und eine Aufteilung nach objektiven Kriterien nicht möglich ist.
  • Gegen die Zwangsläufigkeit spricht insbesondere, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, die ärztlich verordneten Kurse auch außerhalb eines Fitnessstudios durchführen zu können. Nur die räumliche Nähe des Fitnessstudios zum Wohnort, die Einsparung von Park- und Fahrtkosten sowie die größere zeitliche Flexibilität hinsichtlich der Durchführung und Nachholung der Kurse könnten die Zwangsläufigkeit der Fitnessstudio-Mitgliedsbeiträge nicht begründen.
  • Das Finanzgericht hat offengelassen, ob etwas Anderes gelten könne, wenn dem Steuerpflichtigen zur Durchführung der ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio keine sinnvolle Alternative zur Verfügung steht.
  • Erfolg hatte die Klage jedoch hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der zwangsläufig angefallenen Beiträge für einen Reha-Verein, der die ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio durchführt. Diese zählen nach Überzeugung des Gerichts zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden Heilbehandlungskosten.
  • Zum Abzug zuzulassen waren zudem die Aufwendungen für die Fahrten zum Fitnessstudio, die ausschließlich im Zusammenhang mit der Durchführung der ärztlich verordneten Kurse anfallen. Diese teilten das Schicksal der Kurskosten als zwangsläufige Heilbehandlungskosten (im Streitfall: Übernahme der Kurskosten durch die Krankenkasse) und stellten somit ebenfalls außergewöhnliche Belastungen dar.

Hinweis

Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sofern die Revision auch eingelegt wird, erhält der Bundesfinanzhof aufgrund der großen Breitenwirkung der Problematik Gelegenheit, höchstrichterlich zu klären, ob und ggf. inwieweit bei medizinischer Indikation der Behandlung die Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio – gerade auch in den Fällen, in denen mindestens ein auf die Behandlung zugeschnittenes Grundmodul für die Ableistung der Kurse gebucht werden muss – außergewöhnliche Belastungen sein können.