Aktuelles

3. Februar 2023 – Tax
Wirksame förmliche Zustellung während der COVID-19-Pandemie

Der Bundesfinanzhof entschied, dass eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten unwirksam ist, wenn der Zusteller nicht zuvor versucht, die Postsendung mit dem Schriftstück persönlich zu übergeben. Dies gelte auch während der COVID-19-Pandemie (Az. X R 14/21).

Im Streitfall hatte der Postzusteller die Sendung mit einem Gerichtsurteil an einem Samstag in den Briefkasten der von den Klägern bevollmächtigten Steuerberatungskanzlei eingelegt. Wäre dieser Samstag das Zustellungsdatum gewesen, wäre die von den Klägern eingelegte Revision zu spät erhoben worden. Die Kläger machten allerdings geltend, die Zustellung sei unwirksam, weil der Zusteller während der COVID-19-Pandemie niemals versucht habe, in den Kanzleiräumen zu klingeln und das Schriftstück dort zu übergeben. Der Bundesfinanzhof hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft der Deutschen Post AG und durch Vernehmung des zuständigen Postzustellers als Zeugen. Die Beweisaufnahme ergab, dass es im Bereich der Deutschen Post AG zwar keine generellen Anweisungen gab, während der COVID-19-Pandemie auf ein Klingeln beim Empfänger und den Versuch einer persönlichen Übergabe zu verzichten, der Amtsleiter des Zustellers aber eine solche Anweisung erteilt hatte.

Auf dieser Grundlage sah der Bundesfinanzhof die Zustellung als unwirksam an. Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten, in denen der Gesetzgeber pandemiebedingte Erleichterungen in Bezug auf bestimmte Förmlichkeiten vorgesehen hat, seien zu den Zustellungsvorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) keine gesetzlichen Sonderregeln geschaffen worden. Auch das für den Streitfall maßgebende Landesrecht ordnete nicht an, dass bei Zustellungen ein Kontaktverbot bestehe. Dies hat der Bundesfinanzhof für die in Bayern im Juni 2021 geltenden Infektionsschutzregeln, die vergleichbar mit denen anderer Bundesländer gewesen sein dürften, entschieden. Daher konnte offen bleiben, ob der Landesgesetzgeber überhaupt die bundesrechtlichen Zustellungsregelungen modifizieren konnte. Der damit gegebene Zustellungsmangel wurde erst am darauffolgenden Montag „geheilt“, als eine Mitarbeiterin des Steuerberaters den Kanzleibriefkasten geleert hat. Daher haben die Kläger die einmonatige Frist für die Einlegung der Revision gewahrt.

Hinweis

Für förmliche Zustellungen (z. B. Gerichtsentscheidungen, Verwaltungsakten) hat der Gesetzgeber ein klares Regelwerk aufgestellt. Wenn diese Regeln (§§ 166 ff. ZPO) bei der Zustellung nicht beachtet werden, ist die Zustellung unwirksam. Eine „Heilung“ des Zustellungsmangels tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in die Hand bekommt.