Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten kann gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. HGB nicht nur dann gebildet werden, wenn eine Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit Sicherheit besteht und nur ihre Höhe ungewiss ist, sondern auch dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verbindlichkeit dem Grunde nach künftig entsteht, wobei zudem deren Höhe ungewiss sein kann. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Verbindlichkeit kann sich aus der seit Jahren bestehenden ständigen Übung, Mitarbeiterboni ohne rechtliche Verpflichtung an die Mitarbeiter auszuzahlen, ergeben. So entschied das Finanzgericht Münster (Az. 13 K 3467/19).
Eine künftig entstehende Verbindlichkeit hatte ihre wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit, wenn die Mitarbeiterboni in der Hauptsache die Leistungen der Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr abgelten sollten (hier: Boni als zusätzliches Vergütungsinstrument neben dem Festgehalt oder anderen Gehaltsbestandteilen). Daraus folgt ein Veranlassungszusammenhang mit der Arbeitsleistung der Mitarbeiter für das abgelaufene Geschäftsjahr. Dem stehe nicht entgegen, dass Mitarbeiterboni zudem dem Zweck dienten, die Mitarbeiter auch für die Zukunft an das Unternehmen zu binden, wenn es sich hierbei lediglich um einen Nebenzweck handele, welcher den Hauptzweck (Abgeltung der Arbeitsleistung im abgelaufenen Geschäftsjahr) zumindest nicht überlagere.
Bei der Rückstellungsbildung könnten wertauffallende Umstände, die spätestens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang aufzustellen gewesen wäre, bekannt wurden, berücksichtigt werden. Soweit die bei der Festsetzung von Mitarbeiterboni berücksichtigten Kriterien (Wachstumsdynamik, Auftragsbestand, Ertragsentwicklung, Finanzlage) auf die Bilanz und den Geschäftsbericht eines Geschäftsjahres fußten, handele es sich um Umstände, die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits vorlagen, aber erst im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Bilanzerstellung bekannt wurden.