Das Finanzgericht Münster hat zu den Voraussetzungen eines Treuhandverhältnisses und der daraus resultierenden Zurechnung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien Stellung genommen (Az. 2 K 1277/20 und 2 K 1538/20).
Die Kläger der beiden Verfahren waren beim selben Arbeitgeber beschäftigt. Im Jahr 2000 erwarb ein Treuhänder Aktien einer AG zu einem symbolischen Kaufpreis von 0,26 DM, die er treuhänderisch für die Belegschaft des Arbeitgebers hielt. Der Treuhänder übertrug die Aktien im Jahr 2002 auf einen neu gegründeten Verein, dessen Zweck neben der Erhaltung und Sicherung der Arbeitsplätze das Halten und Verwalten dieser Aktien war. Die Kläger sind Mitglieder dieses Vereins. Aufgrund eines Mitgliederbeschlusses des Vereins wurden die Aktien im Jahr 2018 veräußert. Hieraus erhielten die Kläger anteilige Veräußerungserlöse in Höhe von jeweils ca. 75.000 Euro. Diese Erlöse behandelte das Finanzamt als Gewinnausschüttungen des Vereins und unterwarf sie als Einkünfte aus Kapitalvermögen dem Abgeltungsteuersatz. Hiergegen wandten die Kläger ein, dass es sich um nicht steuerbare private Veräußerungsgeschäfte handele, da sie die Aktien bereits vor 2009 erworben hätten. Der Treuhänder habe die Aktien lediglich treuhänderisch für die Kläger erworben und diese Treuhandstellung habe sich nach Übertragung auf den Verein fortgesetzt, sodass die Veräußerungserlöse nicht dem Verein, sondern den Klägern selbst zuzurechnen seien.
Das Gericht wies jedoch die Klage ab. Die den Klägern zugeflossenen Veräußerungserlöse führten zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Hierunter fielen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, die Gewinnausschüttungen wirtschaftlich vergleichbar seien. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Der Verein sei als inländischer rechtsfähiger Verein körperschaftsteuerpflichtig. Die Zahlung an die Kläger sei mit einer Gewinnausschüttung vergleichbar. Es handele sich aus Sicht des Vereins um eine Gewinnverwendung, die den Klägern aufgrund ihrer Vereinsmitgliedschaft und nicht aufgrund einer sonstigen schuldrechtlichen Beziehung zugeflossen sei. Die Kläger könnten sich nicht darauf berufen, die Aktien bereits vor Einführung der Abgeltungsteuer erworben zu haben, da nicht sie selbst, sondern der Verein den Veräußerungserlös erzielt habe. Ein zwischen den Klägern und dem Verein bestehendes Treuhandverhältnis, das zu einer abweichenden wirtschaftlichen Zurechnung führen könnte, habe nicht bestanden. Ein ausdrücklicher Treuhandvertrag bezüglich der Aktien habe ebenfalls nicht vorgelegen. Auch aus der Auslegung der Satzung des Vereins folge kein Treuhandverhältnis. Allein die Verwendung des Begriffs „Treuhänder“ reiche nicht aus, um das für das wesentliche und im Grundsatz unverzichtbare Merkmal der Weisungsbefugnis der Kläger als Treugeber gegenüber dem Treuhänder zu begründen. Die Kläger hätten auch nicht über die Aktien allein disponieren können. Vielmehr habe der Verkauf der Aktien einen Beschluss der Mitgliederversammlung erfordert. Das ursprünglich zwischen dem Treuhänder und der Belegschaft des Arbeitgebers der Kläger bei Erwerb der Aktien im Jahr 2000 begründete Treuhandverhältnis habe mit Übertragung der Aktien auf den Verein im Jahr 2002 geendet.