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10. Juni 2022 – Legal
Kein Absehen vom Regelfahrverbot bei nur pauschaler Behauptung zum drohenden Verlust des Arbeitsplatzes

Allein die pauschale Behauptung des Betroffenen und eine schriftliche Bestätigung durch den Arbeitgeber zum drohenden Verlust des Arbeitsplatzes rechtfertigt kein Absehen vom Regelfahrverbot. Das Tatgericht muss die Angaben des Betroffenen und seines Arbeitgebers genau prüfen. So entschied das Oberlandesgericht Hamm (Az. 5 RBs 48/22).

Ein Mann wurde vom Amtsgericht Essen wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt. Von der Verhängung des Regelfahrverbots sah es ab, da der Betroffene angab, sonst seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Er sei als Verkaufsberater in einem großen Autohaus tätig und zu seinen Aufgaben gehöre die Durchführung von Überführungs- und Probefahrten mit gebrauchten Fahrzeugen. Sein Arbeitgeber bestätigte schriftlich, dass er sich im Falle eines Fahrverbots arbeitsrechtliche Sanktionen – einschließlich einer Kündigung – vorbehalte. Aus betrieblichen Gründen könne dem Betroffenen auch kein zusammenhängender Urlaub von drei Wochen gewährt werden. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, von der Verhängung des Regelfahrverbots abzusehen, legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein.

Das Oberlandesgericht entschied, dass die pauschalen und nicht näher belegten Behauptungen bzw. Angaben des Betroffenen und des Arbeitgebers für sich genommen kein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen. Das Tatgericht dürfe Behauptungen des Betroffenen und Bestätigungen des Arbeitgebers zum drohenden Arbeitsplatzverlust nicht ungeprüft übernehmen. Es müsse die Behauptungen auf ihre Richtigkeit überprüfen und im Urteil darlegen, aus welchen Gründen es die Angaben für glaubhaft halte. Dies sei hier nicht geschehen.

Es bestünden hier Zweifel an der Richtigkeit des drohenden Arbeitsplatzverlustes im Falle eines Fahrverbots. Um der naheliegenden Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitgeber lediglich eine Gefälligkeitsbescheinigung ausstellte, müsse das Tatgericht den Betriebsinhaber, Geschäftsführer oder verantwortlichen Personalsachbearbeiter zeugenschaftlich vernehmen. Dabei sei zu beachten, dass kurzfristige Fahrerverbote nur in Ausnahmefällen eine Kündigung rechtfertigen. Da es sich um ein größeres Autohaus handelte, sei nicht ansatzweise nachvollziehbar, warum dem Betroffenen kein zusammenhängender Urlaub von drei Wochen gewährt werden könne, sodass ein Teil des zu verbüßenden Fahrverbots in seinem Urlaub liege. Es müsse festgestellt werden, wie viele Mitarbeiter konkret im Autohaus arbeiten und welche konkreten betrieblichen Belange gegen die Gewährung des zusammenhängenden Urlaubs sprechen. Auch hätte es der Darlegung bedurft, warum es dem Arbeitgeber nicht möglich sei, den Betroffenen in dem überschaubaren Zeitraum des Fahrverbots anderweitig zu beschäftigen. Da der Betroffene als Verkaufsberater beschäftigt ist, könne er auch in den Verkaufsräumen des Autohauses tätig sein und dort Kunden beraten sowie Verkaufsgespräche führen.