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14. Juli 2021 – Legal
Für entsandte ausländische Betreuungskräfte in Privathaushalten gilt
gesetzlicher Mindestlohn

Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben
Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden. Dazu gehört auch
Bereitschaftsdienst. Ein solcher kann darin bestehen, dass die Betreuungskraft im Haushalt
der zu betreuenden Person wohnen muss und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und
Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten. So entschied das Bundesarbeitsgericht (Az. 5 AZR
505/20).


Die Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Bulgarien. Sie war seit April
2015 bei der Beklagten, einem Unternehmen mit Sitz in Bulgarien, als Sozialassistentin
beschäftigt. In dem in bulgarischer Sprache abgefassten Arbeitsvertrag ist eine Arbeitszeit
von 30 Stunden wöchentlich vereinbart, wobei Samstag und Sonntag arbeitsfrei sein sollten.
Die Klägerin wurde nach Berlin entsandt und arbeitete gegen eine Nettovergütung von 950
Euro monatlich im Haushalt der über 90-jährigen zu betreuenden Person, bei der sie auch ein
Zimmer bewohnte. Ihre Aufgaben umfassten neben Haushaltstätigkeiten (wie Einkaufen,
Kochen, Putzen etc.) eine „Grundversorgung“ (wie Hilfe bei der Hygiene, beim Ankleiden etc.)
und soziale Aufgaben (z. B. Gesellschaft leisten, Ansprache, gemeinsame Interessenverfolgung).
Der Einsatz der Klägerin erfolgte auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags, in dem sich
die Beklagte gegenüber der zu betreuenden Person verpflichtete, die aufgeführten Betreuungs-
leistungen durch ihre Mitarbeiter in deren Haushalt zu erbringen.


Mit ihrer im August 2018 erhobenen Klage hat die Klägerin unter Berufung auf das
Mindestlohngesetz (MiLoG) weitere Vergütung verlangt. Sie hat geltend gemacht, bei der
Betreuung nicht nur 30 Wochenstunden, sondern rund um die Uhr gearbeitet zu haben oder
in Bereitschaft gewesen zu sein. Selbst nachts habe die Tür zu ihrem Zimmer offenbleiben
müssen, damit sie auf Rufen der zu betreuenden Person dieser – etwa zum Gang auf die
Toilette – Hilfe habe leisten können. Für den Zeitraum Mai bis August 2015 und Oktober bis
Dezember 2015 hat die Klägerin zuletzt die Zahlung von 42.636 Euro brutto abzüglich
erhaltener 6.680 Euro netto nebst Prozesszinsen begehrt. Das Landesarbeitsgericht hat der
Klage überwiegend entsprochen und ist im Wege einer Schätzung von einer Arbeitszeit von
21 Stunden kalendertäglich ausgegangen.


Hiergegen richten sich die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin mit
Erfolg. Die Revision der Beklagten rüge mit Erfolg, das Berufungsgericht habe ihren Vortrag
zum Umfang der geleisteten Arbeit nicht ausreichend gewürdigt und deshalb unzutreffend
angenommen, die tägliche Arbeitszeit der Klägerin habe unter Einschluss von Zeiten des
Bereitschaftsdienstes 21 Stunden betragen. Das Landesarbeitsgericht habe zwar zu Recht in
den Blick genommen, dass aufgrund des zwischen der Beklagten und der zu betreuenden
Person geschlossenen Dienstleistungsvertrags eine 24-Stunden-Betreuung durch die
Klägerin vorgesehen war. Es habe jedoch rechtsfehlerhaft den Hinweis der Beklagten auf die
vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche nicht berücksichtigt, sondern hierin
ein rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten gesehen. Das führe zur Aufhebung
des Berufungsurteils. Auch die Anschlussrevision der Klägerin sei begründet. Für die
Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe geschätzt täglich drei Stunden
Freizeit gehabt, fehle es bislang an ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten, sodass
auch aus diesem Grund das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben sei. Die Sache war
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um insoweit den Sachverhalt weiter aufzuklären,
den Vortrag der Parteien umfassend zu würdigen und festzustellen, in welchem Umfang die
Klägerin Vollarbeit oder Bereitschaftsdienst leisten musste und wie viele Stunden Freizeit sie
hatte.