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9. November 2020 – Legal
Corona: Rückzahlung des Reisepreises bei Stornierung auch ohne aktuelle Reisewarnung

Das Amtsgericht Frankfurt entschied, dass in Zeiten von Corona eine vollständige Rückzahlung des Reisepreises bei Stornierung auch dann in Betracht kommt, wenn keine aktuelle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorlag (Az. 32 C 2136/20 (18)).

Der Kläger begehrte die Rückzahlung von Kosten für eine durch ihn stornierte Reise. Er hatte für sich und eine Begleitung im Mai 2019 bei einer deutschen Reiseveranstalterin (Beklagte) eine Flugreise auf die italienische Insel Ischia zum Preis von insgesamt 1.786,00 Euro gebucht. In den AGB der Beklagten war geregelt, dass der Reisende vor Reisebeginn jederzeit vom Vertrag zurücktreten kann und dass der Reiseveranstalter in diesem Fall den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verliert, jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen kann. Diese kann er jedoch nicht verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar oder außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Der Kläger entrichtete eine Anzahlung des Reisepreises in Höhe von 325 Euro. In einer E-Mail vom 07.03.2020 Uhr schrieb der Kläger an die Beklagte, dass er auf Grund von außergewöhnlichen Umständen in Italien und einer Erkrankung stornieren möchte und dass er darum bitte, auf die Gebühren zu verzichten.

Das Gericht gab dem Kläger Recht. In Bezug auf die Corona-Krise komme es für die Beurteilung, ob ein außergewöhnliches Ereignis vorliegt/vorlag darauf an, wann der Reisende zurückgetreten ist und ob die Gegebenheiten zu dieser Zeit bereits als außergewöhnliche Umstände zu qualifizieren sind. Hierbei seien die Geschehnisse des konkreten Einzelfalls und in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts für die Bewertung maßgeblich. Es handele sich um eine Prognoseentscheidung. Grundsätzlich seien, um den Reisenden nicht zu überfordern, an die Darlegung und den Nachweis der konkreten Umstände im Reisegebiet zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Erforderlich sei hierbei nicht zwingend, dass zum Zeitpunkt des Rücktritts bereits Reisewarnungen für das Reisegebiet vorlagen oder dass das Zielgebiet von dem Ausbruch betroffen war. Vielmehr genügte zur dahingehenden Einordnung bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung. Dies sei in Bezug auf Italien im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung gegeben gewesen.