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13. Dezember 2018 – Tax
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen 6 %-Zinssatz im Steuerrecht

Derzeit werden Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit einem Satz von 0,5 % pro Monat – 6 % im Jahr – verzinst. Dieser hohe Zinssatz wurde seit 1961 nicht mehr angepasst.

Nun ist Bewegung in die Sache gekommen. Nachfolgend ein Überblick:

Bundesfinanzhof (BFH)
Der VIII. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 03.09.2018 (Az. VIII B 15/18) das zweite Mal in diesem Jahr zur Höhe des steuerverfahrensrechtlichen Zinssatzes Stellung bezogen. Bereits am 25.04.2018 hatte der IX. Senat des BFH (Az. IX B 21/18) erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe des Zinssatzes ab April 2015 geäußert. Dem hat sich der VIII. Senat nun angeschlossen und gewährte die beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Darüber hinaus erweiterte er den Zeitraum: die Höhe des Zinssatzes sei schon seit November 2012 verfassungsrechtlich zweifelhaft. Der Senat bemängelte u. a. erneut die realitätsferne Bemessung des Zinssatzes vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase. Die Richter stellten außerdem klar, dass sich die Entscheidungsgründe auf die Höhe des Zinssatzes nach § 238 AO beziehen. Sie gelten daher nicht nur für Nachzahlungszinsen, sondern z. B. auch für Aussetzungszinsen.

Bundesministerium der Finanzen (BMF)
Die BFH-Entscheidung vom 25.04.2018 hat das BMF mit Schreiben (Az. IV A 3 – S-0465 / 18/ 10005-01) vom 14.06.2018 aufgegriffen. Demnach sind die Finanzämter bis auf Weiteres angewiesen, die Vollziehung für alle verfahrensrechtlichen Zinsen, die ab April 2015 entstanden sind, auf Antrag auszusetzen (AdV). Es bleibt abzuwarten, ob das Schreiben auf Grundlage der jüngsten BFH-Entscheidung vom 03.09.2018 angepasst wird. Update vom 17.12.2018: Auf Grundlage der der jüngsten BFH-Entscheidung vom 03.09.2018 hat das BMF mit Schreiben vom 14.12.2018 (Az. IV A 3 – S-0465 / 18 / 10005-01) die Anweisung auf Verzinsungszeiträume ab April 2012 ausgedehnt.

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
Aufgrund zweier anhängiger Verfassungsbeschwerden wird sich in naher Zukunft das BVerfG abermals mit der Höhe des steuerlichen Zinssatzes befassen – und zwar für Zeiträume nach dem 31.12.2009 (Az. 1 BvR 2237/14) sowie nach dem 31.12.2011 (Az. 1 BvR 2422/17). Schon 2009 stand der Zinssatz auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, doch diese Beschwerde wurde abgewiesen (Az. 1 BvR 2539/07).

Hinweis
Vor diesem Hintergrund sollte gegen Zinsbescheide ohne entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk mit Verweis auf die anhängigen BVerfG-Verfahren fristgerecht Einspruch eingelegt werden. Wegen der jüngsten BFH-Entscheidung vom 03.09.2018 bietet es sich an, Anträge auf AdV zu stellen. Die Erfolgschancen für einen AdV-Antrag bezüglich der Zeiträume ab November 2012 dürften sich erhöht haben – auch wenn sich das BMF hierzu bislang bedeckt hält.