Ein Steuerpflichtiger muss einen vom Finanzamt nicht anerkannten Anspruch auf Erstattung von Vorsteuer erst dann gewinnwirksam in seiner Bilanz als Aktivposten ausweisen, wenn die Finanzverwaltung ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einem gleichgelagerten Sachverhalt im Bundessteuerblatt veröffentlicht und damit in gleichgelagerten Fällen für anwendbar erklärt hat. Solange die Finanzverwaltung den Anspruch nicht anerkannt hat, reicht das Bekanntwerden dieser Rechtsprechung in der Öffentlichkeit für die Aktivierung der Forderung nicht aus. So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg (Az. 6 K 2874/12).
Das Finanzamt hatte der Klägerin, einer Aktiengesellschaft, die Geltendmachung von Vorsteuer verweigert, die aus Anlass ihres Börsengangs entstanden war. Eine im Jahr 2005 für die AG günstige Entscheidung des EuGH zu einem gleichgelagerten Sachverhalt in Österreich hatte die Finanzverwaltung erst ab Oktober 2006 im Bundessteuerblatt für allgemein anwendbar erklärt und die zu erstattende Vorsteuer im April 2007 gegenüber der Klägerin festgesetzt. Trotzdem sollte die Klägerin den Anspruch auf die Vorsteuer nach Ansicht des Finanzamts bereits zum Bilanzstichtag der Klägerin, dem 30. September 2006, in ihrer Bilanz als Aktivposten ausweisen.
Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht statt. Nach den Grundsätzen des sog. Vorsichtsprinzips sei der Anspruch solange nicht zu aktivieren, wie er vom Finanzamt bestritten werde und die Finanzverwaltung insgesamt eine seiner Entstehung entgegenstehende Rechtsansicht vertrete. Dies sei hier bis zum 4. Oktober 2006 und damit noch über den Bilanzstichtag hinaus der Fall gewesen.
Gegen die Entscheidung ist beim BFH ein Revisionsverfahren unter dem Az. I R 59/13 anhängig.