Urteil vom 27.03.2012; VIII R 27/09
Tatbestand
1 I. Im Revisionsverfahren ist nur noch streitig, ob die an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH gezahlten zusätzlichen Vergütungen für Arbeit an Sonn- und Feiertagen zu Recht im Einkommensteuerbescheid als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) berücksichtigt sind.
2 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 1997 bis 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
3 Der Kläger war in den Streitjahren zu 51 % an der S-GmbH beteiligt, deren alleiniger Geschäftsführer er zugleich war. Im Anstellungsvertrag von 1985 war für den Kläger neben dem Festgehalt in Höhe von 4.400 DM ein Anspruch auf eine erfolgsabhängige Tantieme vereinbart. Die Arbeitszeit wurde nicht konkret geregelt. Im Dezember 1995 beschlossen die Gesellschafter, dass der Kläger für seine Tätigkeit an Sonnund Feiertagen steuerfreie Zuschläge gemäß „§ 3b EStG, Abschn. 30 LStR“ erhalten sollte. Ausführungen zur Berechnung der Zuschläge waren in dem Beschluss nicht enthalten. Durch Gesellschafterbeschluss vom April 1997 wurde das Festgehalt des Klägers auf 9.500 DM heraufgesetzt.
4 Die Klägerin war bei der S-GmbH angestellt. In ihrem Anstellungsvertrag waren ein Festgehalt in Höhe von zunächst 2.700 DM, ab Mai 1997 in Höhe von 3.500 DM für eine konkrete Wochenarbeitszeit, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Zuschläge für Sonn- und Feiertage vereinbart. Die Klägerin war zur Ableistung von regelmäßigen Bereitschaftsdiensten an Wochenenden und Feiertagen sowie zur Übernahme des Bereitschaftsdienstes an jedem Wochenende verpflichtet, wenn der Geschäftsführer urlaubs- oder krankheitsbedingt abwesend war.
5 Das FA erließ für alle Streitjahre im Wesentlichen erklärungsgemäße Erstbescheide ohne den Vorbehalt der Nachprüfung. Die Kläger legten gegen diese Bescheide ebenso wenig Einspruch ein wie gegen die jeweils später ergangenen ersten Änderungsbescheide.
6 Nach einer Außenprüfung bei der S-GmbH teilte der Außenprüfer dem FA durch Kontrollmitteilung u.a. mit, dass der Kläger in allen Streitjahren Zuschläge für Dienste an Sonn- und Feiertagen von der S-GmbH erhalten habe, die bisher als steuerfreier Arbeitslohn behandelt worden seien. Der Prüfer ging davon aus, dass diese Zuschläge durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit vGA seien.
7 Das FA änderte aufgrund der Kontrollmitteilung des Außenprüfers und geänderter Feststellungsbescheide die bisherigen Einkommensteuerbescheide für 1997 bis 1999 durch Bescheide vom 14. November 2002.
8 Die Kläger legten gegen diese Änderungsbescheide aus verschiedenen, inzwischen nicht mehr streiterheblichen Gründen Einspruch ein.
9 Das FA erließ am 2. Januar 2007 für die Jahre 1997 bis 1999 erneut geänderte Einkommensteuerbescheide für die Kläger. In diesen waren die Zuschläge des Klägers für seine Dienste an Sonn- und Feiertagen als Einnahmen aus Kapitalvermögen berücksichtigt.
10 Mit Einspruchsentscheidung vom 26. März 2007 wies das FA die Einsprüche der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 als unbegründet zurück.
11 Die daraufhin von den Klägern erhobene Klage mit dem Ziel, die bisher als vGA erfassten Beträge für Sonnund Feiertagsdienste des Klägers als steuerfreien Arbeitslohn zu beurteilen, wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1516 veröffentlichten Gründen im Wesentlichen ab.
12 Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
13 Sie sind der Auffassung, dass die an den Kläger gezahlten Zuschläge für Dienste an Sonn- und Feiertagen steuerfreier Arbeitslohn seien. Dies ergebe sich aus Art. 3 des Grundgesetzes. Der Kläger sei ebenso wie alle Angestellten der S-GmbH verpflichtet gewesen, Dienst an Sonn- und Feiertagen zu verrichten. Er übe somit die gleiche Tätigkeit aus wie die übrigen Angestellten und handle in diesem Bereich wie ein „normaler Arbeitnehmer“. Alle Angestellten hätten jedoch die steuerfreien Zuschläge auf Grundlage einer 40-Stunden-Woche erhalten. Das Argument des FG, dass die Dienste des Klägers wegen seiner Tantieme bereits abgegolten seien, greife nicht durch. Denn der Kläger trage für diese besonderen Dienste gerade kein unternehmerisches Risiko. Die Tantieme des Klägers gelte aber nur dieses Risiko und die Mehrverantwortung eines Geschäftsführers ab. Keinesfalls sei die Tantieme eine Zusatzvergütung für Tätigkeiten, für die andere Angestellte einen steuerfreien Sonn- und Feiertagszuschlag erhalten würden.
14 Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 1997 bis 1999 dahingehend zu ändern, dass die bisher als vGA erfassten Zuschläge des Klägers für Dienste an Sonn- und Feiertagen als Arbeitslohn berücksichtigt werden und gemäß § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind.
15 Das FA beantragt, die Revision der Kläger zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
16 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO– ).
17 Zu Recht hat das FG entschieden, dass die vom Kläger erhaltenen Zuschläge für Dienste an Sonn- und Feiertagen als vGA zu beurteilen und damit als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen sind.
18 a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch vGA. Eine vGA einer Kapitalgesellschaft ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass oder zumindest ihre Mitveranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13. Dezember 2006 VIII R 31/05, BFHE 216, 214, BStBl II 2007, 393, m.w.N.). Zahlt eine GmbH an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer gesonderte Vergütungen für die Ableistung von Überstunden, liegt aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig eine vGA vor (BFH-Urteil vom 14. Juli 2004 I R 111/03, BFHE 206, 437, BStBl II 2005, 307, m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die zusätzliche Vergütung nur für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen und zur Nachtzeit gezahlt werden soll, da eine solche Regelung die Annahme rechtfertigt, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen die in § 3b EStG vorgesehene Steuervergünstigung verschafft werden soll. Eine solche Vereinbarung widerspricht dem Gedanken, dass ein Geschäftsführer sich in besonderem Maße mit den Interessen und Belangen der von ihm geleiteten Gesellschaft identifizieren und die notwendigen Arbeiten auch dann erledigen muss, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert. Allerdings kann eine entsprechende Vereinbarung im Einzelfall durch überzeugende betriebliche Gründe gerechtfertigt sein, die geeignet sind, die Vermutung für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zu entkräften. Dann liegt keine vGA vor. Eine solche betriebliche Veranlassung kann u.a. dann anzunehmen sein, wenn trotz Unüblichkeit im allgemeinen Wirtschaftsverkehr mit vergleichbaren gesellschaftsfremden Personen ähnliche Vereinbarungen abgeschlossen wurden.
19 Ob eine Vereinbarung zwischen einer GmbH und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer ausschließlich betrieblich oder durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, muss im gerichtlichen Verfahren in erster Linie das FG anhand aller Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilen (BFH-Urteil vom 23. Juli 2003 I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, m.w.N.). Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Urteil in BFHE 206, 437, BStBl II 2005, 307). Ist dies nicht der Fall, so ist der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO auch dann an die Beurteilung seitens des FG gebunden, wenn eine abweichende Würdigung des Veranlassungszusammenhangs gleichermaßen möglich oder naheliegend ist.
20 b) Nach diesen Grundsätzen ist die tatsächliche Würdigung des FG, dass die Leistung der Zuschläge für Sonn- und Feiertage von der S-GmbH an den Kläger gesellschaftsrechtlich veranlasst war, revisionsrechtlich bindend.
21 aa) Das FG hat seine Würdigung wie folgt begründet: Besondere betriebliche Gründe, die für eine arbeitsvertragliche Veranlassung sprechen könnten, lägen nicht vor. Zum einen gebe es keinen gesellschaftsfernen Angestellten, der eine vergleichbare Vergütungsstruktur wie der Kläger aufweise. Sämtliche anderen Angestellten der S-GmbH, die die steuerfreien Zuschüsse erhalten, hätten in den Streitjahren nicht nur geringere Vergütungen bezogen, sondern hätten auch keinen Anspruch auf eine Tantieme gehabt. Denn die im November an die Angestellten geleisteten Prämien seien das arbeitsvertraglich vereinbarte Weihnachtsgeld. Alle anderen Angestellten hätten im Gegensatz zum Kläger fest vereinbarte Wochenarbeitsstunden gehabt. Der deutlich erhöhte Grundlohn des Klägers und der Anspruch auf die Tantieme sprächen dafür, dass damit der besondere Einsatz des Klägers auch an Sonn- und Feiertagen sowie außerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeiten bereits berücksichtigt worden sei. Von einem Geschäftsführer werde gewöhnlich ein höherer persönlicher Einsatz erwartet, der sich gerade nicht an einer konkreten Wochenarbeitszeit orientiere. Ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte mit dem Kläger daher kein zusätzliches Entgelt für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen vereinbart. Zudem sei von Anfang an klar gewesen, dass der Kläger am Kundengeschäft mitwirken müsse und dies eben auch an Sonn- und Feiertagen. Dies hätte ein ordentlicher Kaufmann bereits bei der Bemessung des Geschäftsführergehalts berücksichtigt. Aus der Tatsache, dass eine wöchentliche Arbeitsstundenanzahl nicht vereinbart gewesen sei, gehe hervor, dass die Bezahlung am Arbeitsergebnis und nicht an der Arbeitszeit ausgerichtet gewesen sei. Daher gelte die Vermutung, dass die Vereinbarung nur getroffen worden sei, um dem Kläger die Steuerfreiheit des § 3b EStG zu ermöglichen.
22 bb) Diese Würdigung des Streitfalls durch das FG bindet den erkennenden Senat als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO. Zu den der Bindung unterliegenden Feststellungen gehören auch die Schlussfolgerungen tatsächlicher Art. Die Schlussfolgerung des FG, dass die Vereinbarung der S-GmbH mit dem Kläger über Zuschläge für Dienste an Sonn- und Feiertagen gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, ist verfahrensrechtlich fehlerfrei zustande gekommen, aufgrund der tatsächlichen Feststellungen möglich und in sich widerspruchsfrei. Die Kläger haben dagegen auch keine durchgreifenden Revisionsrügen vorgebracht, sondern ziehen aus dem festgestellten Sachverhalt lediglich eine andere tatsächliche Schlussfolgerung als das FG. Dadurch wird jedoch die Bindung des Revisionsgerichts gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht aufgehoben.